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schreien, aber das innere Entsetzen, das mich bei Cardil-
lacs Worten erfaßt, schnürte mir die Kehle zu. Statt der
Worte vermochte ich nur einen unverständlichen Laut aus-
zustoßen. Cardillac setzte sich wieder in seinen Arbeits-
stuhl. Er trocknete sich den Schweiß von der Stirne. Er
schien, von der Erinnerung des Vergangenen hart berührt,
sich mühsam zu fassen. Endlich fing er an: Weise Männer
sprechen viel von den seltsamen Eindrücken, deren Frau-
en in guter Hoffnung fähig sind, von dem wunderbaren
Einfluß solch lebhaften, willenlosen Eindrucks von außen
her auf das Kind. Von meiner Mutter erzählte man mir eine
wunderliche Geschichte. Als sie mit mir im ersten Monat
schwanger ging, schaute sie mit andern Weibern einem
glänzenden Hoffest zu, das in Trianon gegeben wurde. Da
fiel ihr Blick auf einen Kavalier in spanischer Kleidung mit
einer blitzenden Juwelenkette um den Hals, von der sie
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die Augen gar nicht mehr abwenden konnte. Ihr ganzes
Wesen war Begierde nach den funkelnden Steinen, die ihr
ein überirdisches Gut dünkten. Derselbe Kavalier hatte vor
mehreren Jahren, als meine Mutter noch nicht verheiratet,
ihrer Tugend nachgestellt, war aber mit Abscheu zurück-
gewiesen worden. Meine Mutter erkannte ihn wieder, aber
jetzt war es ihr, als sei er im Glanz der strahlenden Dia-
manten ein Wesen höherer Art, der Inbegriff aller Schön-
heit. Der Kavalier bemerkte die sehnsuchtsvollen, feurigen
Blicke meiner Mutter. Er glaubte jetzt glücklicher zu sein
als vormals. Er wußte sich ihr zu nähern, noch mehr, sie
von ihren Bekannten fort an einen einsamen Ort zu locken.
Dort schlug er sie brünstig in seine Arme, meine Mutter
faßte nach der schönen Kette, aber in demselben Augen-
blick sank er nieder und riß meine Mutter mit sich zu Bo-
den. Sei es, daß ihn der Schlag plötzlich getroffen, oder
aus einer andern Ursache; genug, er war tot. Vergebens
war das Mühen meiner Mutter, sich den im Todeskrampf
erstarrten Armen des Leichnams zu entwinden. Die hohlen
Augen, deren Sehkraft erloschen, auf sie gerichtet, wälzte
der Tote sich mit ihr auf dem Boden. Ihr gellendes Hilfege-
schrei drang endlich bis zu in der Ferne Vorübergehenden,
die herbeieilten und sie retteten aus den Armen des grau-
sigen Liebhabers. Das Entsetzen warf meine Mutter auf
ein schweres Krankenlager. Man gab sie, mich verloren,
doch sie gesundete und die Entbindung war glücklicher,
als man je hätte ahnen können. Aber die Schrecken jenes
fürchterlichen Augenblicks hatten mich getroffen. Mein bö-
ser Stern war aufgegangen und hatte den Funken hinab-
geschossen, der in mir eine der seltsamsten und verderb-
lichsten Leidenschaften entzündet. Schon in der frühesten
Kindheit gingen mir glänzende Diamanten, goldenes Ge-
schmeide über alles. Man hielt das für gewöhnliche kindi-
sche Neigung. Aber es zeigte sich anders, denn als Knabe
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stahl ich Gold und Juwelen, wo ich ihrer habhaft werden
konnte. Wie der geübteste Kenner unterschied ich aus In-
stinkt unechtes Geschmeide von echtem. Nur dieses lock-
te mich, unechtes sowie geprägtes Gold ließ ich unbeach-
tet liegen. Den grausamsten Züchtigungen des Vaters
mußte die angeborne Begierde weichen. Um nur mit Gold
und edlen Steinen hantieren zu können, wandte ich mich
zur Goldschmieds-Profession. Ich arbeitete mit Leiden-
schaft und wurde bald der erste Meister dieser Art. Nun
begann eine Periode, in der der angeborne Trieb, so lange
niedergedrückt, mit Gewalt empordrang und mit Macht
wuchs, alles um sich her wegzehrend. Sowie ich ein Ge-
schmeide gefertigt und abgeliefert, fiel ich in eine Unruhe,
in eine Trostlosigkeit, die mir Schlaf, Gesundheit Le-
bensmut raubte. Wie ein Gespenst stand Tag und Nacht
die Person, für die ich gearbeitet, mir vor Augen, ge-
schmückt mit meinem Geschmeide, und eine Stimme
raunte mir in die Ohren: Es ist ja dein es ist ja dein
nimm es doch was sollen die Diamanten dem Toten!
Da legt' ich mich endlich auf Diebeskünste. Ich hatte Zutritt
in den Häusern der Großen, ich nützte schnell die Gele-
genheit, kein Schloß widerstand meinem Geschick und
bald war der Schmuck, den ich gearbeitet, wieder in mei-
nen Händen. Aber nun vertrieb selbst das nicht meine
Unruhe. Jene unheimliche Stimme ließ sich dennoch ver-
nehmen und höhnte mich und rief: Ho ho, dein Geschmei-
de trägt ein Toter! Selbst wußte ich nicht, wie es kam,
daß ich einen unaussprechlichen Haß auf die warf, denen
ich Schmuck gefertigt. Ja! im tiefsten Innern regte sich ei-
ne Mordlust gegen sie, vor der ich selbst erbebte. In die-
ser Zeit kaufte ich dieses Haus. Ich war mit dem Besitzer
handelseinig geworden, hier in diesem Gemach saßen wir
erfreut über das geschlossene Geschäft beisammen und
tranken eine Flasche Wein. Es war Nacht geworden, ich
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wollte aufbrechen, da sprach mein Verkäufer: Hört, Mei-
ster René, ehe Ihr fortgeht, muß ich Euch mit einem Ge-
heimnis dieses Hauses bekannt machen. Darauf schloß er
jenen in die Mauer eingeführten Schrank auf, schob die
Hinterwand fort, trat in ein kleines Gemach, bückte sich
nieder, hob eine Falltür auf. Eine steile, schmale Treppe
stiegen wir hinab, kamen an ein schmales Pförtchen, das
er aufschloß, traten hinaus in den freien Hof. Nun schritt
der alte Herr, mein Verkäufer, hinan an die Mauer, schob
an einem nur wenig hervorragenden Eisen, und alsbald
drehte sich ein Stück Mauer los, so daß ein Mensch be-
quem durch die Öffnung schlüpfen und auf die Straße ge-
langen konnte. Du magst einmal das Kunststück sehen,
Olivier, das wahrscheinlich schlaue Mönche des Klosters,
welches ehemals hier lag, fertigen ließen, um heimlich
aus- und einschlüpfen zu können. Es ist ein Stück Holz,
nur von außen gemörtelt und getüncht, in das von außen-
her eine Bildsäule, auch nur von Holz, doch ganz wie
Stein, eingefügt ist, welches sich mitsamt der Bildsäule auf
verborgenen Angeln dreht. Dunkle Gedanken stiegen in
mir auf, als ich diese Einrichtung sah, es war mir, als sei
vorgearbeitet solchen Taten, die mir selbst noch ein Ge-
heimnis blieben. Eben hatt' ich einem Herrn vom Hofe ei-
nen reichen Schmuck abgeliefert, der, ich weiß es, einer
Operntänzerin bestimmt war. Die Todesfolter blieb nicht
aus das Gespenst hing sich an meine Schritte der lis-
pelnde Satan an mein Ohr! Ich zog ein in das Haus. In
blutigem Angstschweiß gebadet, wälzte ich mich schlaflos
auf dem Lager! Ich seh' im Geiste den Menschen zu der
Tänzerin schleichen mit meinem Schmuck. Voller Wut
springe ich auf werfe den Mantel um steige herab die
geheime Treppe fort durch die Mauer nach der Straße
Nicaise. Er kommt, ich falle über ihn her, er schreit auf,
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